Von den RACING STUDENTS zum Mitfavoriten um den deutschen Meistertitel

Jannik Steimle im Interview

Vor wenigen Tagen ist mit der Tour de Suisse das letzte große Vorbereitungsrennen auf die Tour de France zu Ende gegangen. Mit dabei auch Jannik Steimle, Teil des RACING STUDENTS-Kaders 2015, heute Team BELLE Stahlbau. Mittlerweile ist Jannik über zwei Kontinental-Teams beim besten Team der Welt, Deceuninck-Quick-Step angekommen. Trotz Verletzungspause durch einen schweren Sturz im März konnte sich Steimle als siebter des Auftaktzeitfahrens der Tour de Suisse ganz vorne präsentieren und sich damit in den Favoritenkreis für die Deutsche Meisterschaft am Sonntag in Stuttgart fahren. Wer sich das Zeitfahren in der Schweiz genau angeschaut hat, erkennt sofort die Parallelen zu Steimles Zeit bei den RACING STUDENTS: Das Zeitfahren war kurz und mit vielen Kurven technisch anspruchsvoll. In unserem Interview mit Steimle lassen wir das Jahr 2015 noch einmal Revue passieren und stellen fest, dass aus der Amateur-Zeit viel hängen geblieben ist, das ihm heute als Profisportler hilft:

RACING STUDENTS: „Jannik, In deinem RACING STUDENTS-Jahr hast du zehn Rennen gewonnen, bei Deceuninck-Quick-Step bisher vier. Was hat der RACING STUDENTS-Sprintzug besser gemacht?

Jannik Steimle: „Hahaha! Naja, die Konkurrenz ist ein wenig stärker geworden.

RACING STUDENTS: “Spaß beiseite, welches sind die entscheidenden Punkte, die einen erfolgreichen Amateur-Fahrer vom Profi-Fahrer unterscheiden und was war für Deine persönliche Entwicklung vom Amateur zum Profi wichtig?

Jannik Steimle: “Ich denke, ohne arrogant wirken zu wollen, man muss ein wenig Talent mitbringen. Oft dreht es sich auch einfach um das richtige Training. Ich habe alles auf diese Karte gesetzt und habe mir über zwei bis drei Jahre wirklich täglich alles abverlangt. Ernährung, Regeneration und Essen das sind wichtige Faktoren. Und ja, ich bin ein Risiko eingegangen und habe nur den Radsport betrieben. Es ist sehr schwer, wenn man nebenher auch noch arbeiten muss. Es gibt viele starke Amateure und KT-Fahrer, aber dann diesen einen, entscheidenden Schritt zu den Profis zu machen, das schaffen nur ganz, ganz wenige. Ich glaube ich habe davon profitiert, dass ich frisch in die U23 gekommen bin und dort eigentlich erst richtig begonnen habe zu trainieren. In meiner Jugend war ich faul.

RACING STUDENTS: „Gibt es Dinge aus Deiner Zeit bei den Amateuren, von denen Du heute bei den Profis profitierst?
 
Jannik Steimle: „Auf jeden Fall! Ich denke gerade die kleinen Rennen bei den Amateuren, wie die Krits (Anm. d. Red.: Kriterien) zum Beispiel, in welchen man einfach lernt richtig Kurven zu fahren und sich so auch gewisse Vorteile verschafft. Das merke ich heute in den Rennen, dass mir gerade technische Finals entgegenkommen.
 
RACING STUDENTS: „Vermisst Du Kriterien und schnelle, verwinkelte Kurse?
 
Jannik Steimle: „Ein wenig ja. Einfach 1-1:30h Vollgas „ballern“ hat mir schon Laune gemacht.
 
RACING STUDENTS: „An welchen Tag oder welches Ereignis erinnerst Du Dich am liebsten zurück, wenn Du an Deine Zeit mit den RACING STUDENTS denkst?
 
Jannik Steimle: „Ich hatte zwar keine wirklich wichtige Rolle an diesem Tag aber der Sieg von Marcel bei der Erzgebirgsrundfahrt war gigantisch. Einfach den ganzen deutschen Konti-Teams die Ohren langgezogen.
 
Damit spielt Steimle auf einen grandiosen Tag der RACING STUDENTS an, an welchem Marcel Fischer die Erzgebirgsrundfahrt gewinnen konnte. Gegen die Kontinentalteams waren die RACING STUDENTS damals als komplette Underdogs angetreten und konnten für eine Sensation sorgen.
 
RACING STUDENTS: „Jannik, gibt es etwas Besseres, als bei Deceuninck-Quick-Step zu fahren?
 
Jannik Steimle: „NEIN! Einfach ein Traum und oft noch unvorstellbar!
 
RACING STUDENTS: „Wie ist der Kontakt zum Team Deceuninck-Quick-Step zustande gekommen?
 
Jannik Steimle: „Ehrlich gesagt durch meine Leistungen. Der Ausschlag für den Stagiaire-Vertrag war die Österreich Rundfahrt. Dort sind sie auf mich aufmerksam geworden und auch, dass sie keinen deutschen Fahrer mehr hatten, hat eine Rolle gespielt.
 
RACING STUDENTS: „Du bist im erfolgreichsten Profi-Team der Welt, mit welchem anderen Radsportstar teilst du dir das Zimmer auf Rundfahrten?
 
Jannik Steimle: „Sehr unterschiedlich. Am liebsten mit Florian Senechal. Aber ich war auch schon mit Cav (Anm. d. Red.: Mark Cavendish) im Zimmer, ebenso mit Bob Jungels und auch Sam Bennett.
 
RACING STUDENTS: „Wie stellst du dir deine nächsten Jahre im Radsport vor und was ist Dein größter Traum bezogen auf den Radsport?
 
Jannik Steimle: „Ich hoffe erfolgreich! Ich gebe mehr als 100% für meinen Job und bis jetzt steht das Glück nicht immer auf meiner Seite. Aber ich weiß, was ich draufhabe und das will ich aller Welt zeigen. Mein größter Traum ist es, einmal die Flandern-Rundfahrt zu gewinnen!

RACING STUDENTS: “Was findest Du am besten am Leben als Profi und was vermisst Du am stärksten?

Jannik Steimle: “Am schönsten finde ich das Reisen. Ich liebe es unterwegs zu sein. Es war ehrlich gesagt ein komisches Gefühl, so lange zu Hause zu sein wegen Corona und meiner Verletzung. Aber ich freue mich bei jeder Reise, die ich antrete, auch schon wieder auf das nach Hause kommen, wenn meine Freundin mich am Flughafen abholt. Da genießt man die kurze Zeit zwischen den Rennen umso mehr.

RACING STUDENTS: “Vielen Dank für das Interview, Jannik! Noch eine Frage zum Abschluss: Du hattest bei einem Rennen auf Rhodos einen Zusammenprall mit einer Ziege, wie viel Prozent Schuld hatte die Ziege und wie viel Jannik Steimle?

Jannik Steimle: „Haha! Ich würde sagen die Ziege 80% und ich 20%. Aber ehrlich gesagt hatte ich keine Chance. Ich bin mit 80 km/h eine Abfahrt heruntergekommen und sie ist vor mir aus dem Gestrüpp gesprungen – also war ich komplett chancenlos.

Nach wie vor lebt Jannik in der Region Stuttgart und es kommt hin und wieder zu gemeinsamen Trainingsausfahrten mit den Fahrern des Team BELLE Stahlbau. Am kommenden Wochenende gibt es bei der Deutschen Meisterschaft in Stuttgart ein Zusammentreffen auf sportlicher Ebene. Auf dem 185 km langen und anspruchsvollen Kurs mit 3050 Höhenmetern gilt Jannik Steimle als Mitfavorit, während für die drei Starter des Team BELLE Stahlbau schon ein Platz im Hauptfeld ein großer Erfolg wäre.

Jannik Steimle im RACING STUDENTS-Trikot 2015. Foto: Haumesser